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Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL 23.09.2020

Nachfolge ist weiblich – Digitale Unternehmensbesuche am 22.September 2020

Zu unseren digitalen Unternehmensbesuchen am 22. September fanden sich insgesamt 7 interessierte Teilnehmerinnen ein. Unter Moderation von Anna-Lena Lütke-Börding vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL stellten drei Unternehmensnachfolgerinnen aus OWL ihr Geschäft bzw. Ihren Betrieb vor. Unternehmensnachfolge durch Frauen ist nach wie vor ein zu wenig bekannter Weg in die Selbständigkeit für Frauen, obwohl er einige Vorteile mit sich bringt. Dies verdeutlichten unsere Unternehmensbesuche.

Zu Beginn der digitalen Unternehmensbesuche gab die Buchhändlerin Silke Speckmann Einblicke in Ihr Ladengeschäft „Bücher und Geschenke Speckmann“ in Halle Westfalen. Erst im Januar 2020 hatte die zweifache Mutter das Geschäft von ihrem damaligen Chef übernommen. Das Geschäft befindet sich in einer weitläufigen Sparkassen-Passage in der Haller Innenstadt und lockt so neben Bücherfreundinnen und -freunden, auch Laufkundschaft an. „Meine Angestellten und ich lesen alle Bücher mindestens einmal quer und spicken unsere Lieblingslektüre mit persönlichen Kurzrezensionen für unsere Kundinnen und Kunden.“ berichtet sie und hält ein solches Exemplar in die Kamera. Silke Speckmann führt den Laden mit viel Leidenschaft und einer guten Portion Gelassenheit. Während die Unternehmerin den Teilnehmerinnen ihren Laden per Video-Führung zeigt, berichtet sie über den reibungslosen Ablauf der Übernahme und die Unterstützung, die sie dabei u.a. von ihrem Mann und der proWirtschaft GT erhalten hat. „Ich kannte den Laden und ich wusste, dass er läuft. Das Risiko für mich war somit sehr gering. Ich bin sehr zufrieden. “ fasst sie die erfolgreiche Übernahme zusammen.

Im Anschluss bot die 29-jährige Stefanie Dowe einen interessanten Einblick in eins ihrer beiden Optikerfachgeschäfte „StärkerSehen“ in Bad Salzuflen. Die junge Augenoptikermeisterin begeistert sich seit ihrer Ausbildung für das Handwerk und kann ihr Gespür für Innovation und Design nun als Chefin in ihren Unternehmensalltag einfließen lassen. „Schon früh war mir klar, dass ich mich eines Tages selbständig machen würde.“ erzählt sie. „Vor der Übernahme habe ich mich bewusst gegen eine Neugründung entschieden, um mein unternehmerisches Risiko zu minimieren. Den Schritt habe ich bis heute nicht bereut.“ erklärt sie. Auch die Angestellten der beiden Geschäfte hat sie übernommen und damit sehr positive Erfahrungen gemacht: „Vertrauen ist eine wichtige Voraussetzung, um erfolgreich einen Betrieb zu übernehmen und ihn vor allem auch erfolgreich weiter zu führen.“ erklärt sie. Im Rundgang durch ihren Laden bekommen die Teilnehmerinnen nicht nur mit, dass die Inhaberin selbst die Kollektionen auswählt, sondern, dass sie sich auch viele Gedanken um die Bedürfnisse ihrer Kundschaft macht. „Mit genügend Leidenschaft für die Sache und Motivation bekommt man alles hin.“ resümiert sie ihren Schritt in die Übernahme der beiden Geschäfte.

Zum Abschluss führte Inken Beckmann die Teilnehmerinnen durch ihre traditionelle „Druckerei Matz“ in Bielefeld. „Ich stelle mich mit meinem Betrieb aktiv gegen die Digitalisierung.“ erzählt sie zu Beginn. In ihrer Druckerei steht noch eine imposante Druckmaschine aus den 1920er Jahren. „Was hiermit schon alles gedruckt wurde.“ schwärmt sie. Für Inken Beckmann ist Druck nicht einfach nur Druck. Für sie ist das Druckereigewerbe ein Teil ihrer Identität: „Ich liebe es das Papier zu fühlen und zu riechen und das schon von klein auf.“ Dies liegt vor allem an ihrer über 30- jährigen Verbindung zum klassischen Druckhandwerk. Den Schritt in die Übernahme wagte die Inhaberin vor knapp 20 Jahren nach dem Tod des Vaters. „Eigentlich gab es für mich keine andere Option. Ich wollte das machen.“ erinnert sie sich und stellt nebenbei noch ihre beiden Angestellten vor. Und obwohl die Konkurrenz seit Jahren immer größer wird und somit auch Druck auf die Inhaberin ausübt, würde sie den Schritt in die Selbständigkeit in dieser Form immer wieder empfehlen: „Man weiß eben nie was die Zukunft bringt.“

Alle drei Unternehmerinnen betonten die Vorteile ihrer Unternehmensnachfolge. Hierzu gehören die bestehende Etablierung am Markt, eine vorhandene Stammkundschaft und bereits ausgelernte Angestellte. Die Teilnehmerinnen der digitalen Unternehmensbesuche konnten die Zufriedenheit über die berufliche Entscheidung bei allen drei Unternehmerinnen live erleben. Eine spannende Veranstaltung, die eindrücklich die positiven Aspekte der Nachfolge durch Frauen aufzeigen konnte.

Hintergrundinfos:

Kleine und mittelständische Unternehmen, welche knapp 99 % der deutschen Unternehmenslandschaft ausmachen, haben immer mehr Schwierigkeiten ihre Nachfolge sicherzustellen. Eine gesicherte Nachfolge ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland jedoch existenziell. Denn die KMU erwirtschaften 48 % der Umsätze und stellen 58% der Arbeitsplätze in Deutschland (Vgl. bga Nr. 38| 2015). Nach Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn werden bis zum Jahr 2022 rund 150.000 Unternehmen vor der Übergabe stehen. Dies betrifft ca. 2,4 Mio. Arbeitsplätze deutschlandweit. Laut der Plattform www.nexxt-change.org suchen allein in OWL aktuell rund 130 Unternehmen eine geeignete Nachfolge. 48 % der Unternehmen haben dabei laut DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2019, Schwierigkeiten ihre Nachfolge zu sichern. Im Ergebnis drohen wertvolle Umsätze und Arbeitsplätze in OWL verloren zu gehen. Laut der bundesweiten Gründerinnenagentur spielen Frauen bei der Übergabe mit einem Anteil mit ca. 20 Prozent allerdings noch eine untergeordnete Rolle. Dabei suchen ein Drittel der Frauen mit Führungserfahrung nach einem Weg in die Selbständigkeit.

Die übergabebereiten Unternehmen werden also immer stärker das weibliche Unternehmerinnenpotential ansprechen müssen, um ihre etablierten Wirtschaftsstrukturen auch künftig aufrechterhalten zu können. Und besonders für Managerinnen 50plus mit viel Berufserfahrung und Fachkompetenzen kann eine Nachfolge eine lohnenswerte Alternative zu einer Neugründung sein.

 

Bild 22.09.2020 NachfolgerinnenFoto von links: Stefanie Dowe | Silke Speckmann | Inken Beckmann